Wenn gute Absichten nicht weit genug gehen
Immer mehr Unternehmen möchten ein Zeichen setzen – für Nachhaltigkeit, für Artenvielfalt, für die Zukunft. Und das ist erstmal: richtig gut!
Wer heute etwas auf sich hält und in 2025 angekommen ist, pflanzt, lässt summen oder verteilt zumindest Samenpäckchen mit Bienen und Schmetterlingen drauf. Sieht niedlich aus, wirkt ökologisch – und gibt Pluspunkte in der Außendarstellung.
Aber wie so oft muss man feststellen: Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht!
Vor allem beim Thema Biodiversität begegnen mir immer wieder Maßnahmen, die auf den ersten Blick gut und richtig aussehen – aber am Ende wenig bis gar nichts bewirken. Oder im schlimmsten Fall viel Arbeit, Sponsorengeld und Engagement versenken. Und unter Umständen sogar peinlich werden können – denn das Wissen über Biodiversität steigt, und immer mehr Menschen können gut und gut gemeint sehr wohl unterschieden.
In diesem Artikel schauen wir uns drei dieser beliebten Maßnahmen „für die Bienen“ etwas genauer an. Mit einem Augenzwinkern, aber auch dem nötigen Ernst. Denn Biodiversität ist kein Imageprojekt, sondern eine echte Verantwortung.
1. Insektenhotels: Deko statt Zuhause?
Sie stehen an Firmengebäuden, auf Schulhöfen, in Einkaufszonen – oft liebevoll gebaut, mit Tannenzapfen und Bohrlöchern versehen. Das Insektenhotel ist DAS Maskottchen für die Förderung der Artenvielfalt geworden.
Aber wie in dem einschlägigen Werbespot „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ könnte man hier fragen: „Müssen deine Insekten noch ins Hotel oder haben sie schon eine gemütliche Heimat bei dir?“ Viele dieser Hotel-Konstruktionen sind zwar hübsch anzusehen, haben aber kaum praktischen Nutzen für Insekten. (Mehr dazu kannst du übrigens hier lesen.)
Was oft schiefläuft:
- Falsche Materialien: Weiches Nadelholz, unsaubere Bohrlöcher, splitterndes Holz – das mögen Insekten ungefähr so gern wie wir ein knarzendes Hotelbett mit Bettwanzen.
- Keine Funktion: Viele Modelle bieten keinen wirklich geeigneten Nistplatz oder fördern Parasiten und Fressfeinde – denn viele Insekten auf engem Raum sind leichtes gefundenes Fressen.
- Lebensgrundlage fehlt: Selbst wenn das Hotel einwandfrei wäre – ohne passende Pflanzen und Strukturen drum herum, also ohne Futterquellen und Nistmaterial, zieht hier niemand freiwillig ein.
👉 Fazit: Ein Insektenhotel ist kein Selbstzweck. Es ist maximal das i-Tüpfelchen – wenn drumherum ein vielfältiger, blütenreicher Lebensraum mit Struktur, Vielfalt und naturnaher Bepflanzung existiert.
2. Honigbienen als Biodiversitäts-Botschafter: Gute Idee? Leider nein.
„Wir tun was für die Bienen – wir halten jetzt eigene!“ Klingt gut, aber oft liegt da ein Missverständnis zugrunde. Denn Honigbienen sind keine bedrohte Art, sondern vom Menschen domestizierte Nutztiere – wie Hühner oder Kühe.
Warum der Fokus auf Honigbienen kritisch ist:
- Konkurrenz um Ressourcen: Honigbienen sind effizient, anpassungsfähig und wahre Sammelprofis. Aber das macht sie zu ernstzunehmenden Konkurrenten für spezialisierte Wildbienen, die auf ganz bestimmte, teils sehr seltene Pflanzen angewiesen sind.
- Generalisten vs. Spezialisten: Honigbienen fliegen alle Pflanzen an. Wildbienenarten dagegen sind häufig spezialisiert auf wenige, ganz bestimmte Nahrungspflanzen – die sind, falls vorhanden, dann aber womöglich schon von der Honigbiene „leergesammelt“.
- Krankheitsübertragung: In dicht besiedelten Gebieten kann die Haltung großer Bienenvölker Krankheiten und Parasiten auf Wildbienen übertragen.
- Irreführende Pflanzenwahl: Viele sogenannte „Bienenpflanzen“ wie Robinie, Phacelia oder Lavendel sind zwar Honigbienenmagnete – aber oft wenig nützlich für unsere einheimische Insektenwelt.
👉 Fazit: Wer wirklich Biodiversität fördern will, setzt nicht auf Imkerei, sondern auf Vielfalt und Strukturen für Wildbienen – und andere spezialisierte Insektenarten.
3. Saatgutmischungen zum Mitnehmen: Kurz blühend, langfristig enttäuschend
Sie gehören mittlerweile zum Marketing wie Kugelschreiber und Gummibärchen: bunte Saatgutmischungen mit klingenden Namen wie „Blütenzauber“, „Bienenparadies“ oder „Flower Power für den Balkon“. Aber leider verbirgt sich dahinter oft ein kurzer Knalleffekt ohne nachhaltige Wirkung.
Was daran problematisch ist:
- Unbekannter Inhalt: Die meisten Samentütchen verraten uns nicht, was wir da überhaupt säen – und wem wir damit angeblich etwas Gutes tun. Häufig enthalten sie qualitativ minderwertige Massenware.
- Nicht heimisch, nicht nachhaltig: Viele dieser Mischungen enthalten exotische Zierpflanzen, die zwar hübsch blühen, aber für unsere heimischen Insekten kaum Nutzen haben.
- Kurzlebige Effekte: Oft handelt es sich um einjährige Pflanzen, die einmal kurz spektakulär aufblühen und dann verschwinden – ohne nachhaltigen Lebensraum zu schaffen.
- Keine Anpassung an den Standort: Pflanzen haben ganz verschiedenen Ansprüche an Boden, Licht und Klima – bei „Blüh-Mischungen“ wird das selten berücksichtigt. So verkommt das Ganze schnell zur braunen Fläche oder zum „Wilden Chaos“ – leider nicht im positiven Sinne. Schon mal eine Blumenwiese im Schatten gesehen?
- Tüte auf, verteilen und schon blüht es los? Schön wär’s. Zum Ansaaterfolg braucht es etwas mehr als Körner in eine Fläche zu werfen. Sagt einem nur kaum jemand – und damit ist die Enttäuschung vorprogrammiert.
👉 Fazit: Eine gute Saat braucht mehr als ein hübsches Päckchen.
Gebietsheimisches Saatgut, abgestimmt auf Standort, Boden und Pflegekonzept, ist der Schlüssel zu echter Vielfalt. Und ja: Das klingt erstmal weniger sexy. Aber genau hier beginnt echter, wirksamer Artenschutz. (Hier kannst du mehr über Blumenmischungen und gutes Saatgut nachlesen.)
Was Unternehmen wirklich tun können
Niemand verlangt Perfektion und Allwissenheit. Aber wer als Unternehmen oder Organisation öffentlich Verantwortung für Biodiversität übernimmt, sollte bereit sein, genauer hinzusehen und dazuzulernen. Sonst geht´s leicht nach hinten los!
Denn Biodiversität ist kein Projekt für die Galerie – sondern ein langfristiges Commitment. Und echter Naturschutz ist nicht immer hübsch verpackt, aber dafür wirksam. Und vor allem: glaubwürdig.
Die gute Nachricht: Es gibt großartige Wege, wie Unternehmen mit ihrer Fläche echten, lebendigen Lebensraum schaffen können. Mit mehr Mut, Dinge wirklich zu verändern. Für Insekten. Für Menschen. Für die Zukunft.
Also bitte, liebe Unternehmen: Macht es gleich richtig. Ruft Leute wie mich an. Ich helfe euch gern, aus Marketingflächen echte Lebensräume zu machen – mit Ideen, Konzepten und Wildwuchs-Expertise. Versprochen :-).