“Wie hältst du‘s mit der Pflege im Naturgarten?“

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Das habe ich euch kürzlich auf Instagram gefragt. Und um es vorweg zu nehmen: Richtig oder falsch gibt es so nicht. Ihr gärtnert naturnah, das ist super. Und außerdem sind mehrheitlich sehr entspannte Gärtner:innen unter euch – sehr schön!

„Naturgärten können intensiv oder extensiv gepflegt werden. Beides ist gut und richtig und abhängig von seinen Besitzern, den Pflege- und Entwicklungszielen.“

Reinhard Witt, Natur für jeden Garten

Sind Naturgärten nicht sowieso pflegeleicht?

Viele Naturgärten entstehen tatsächlich neben dem biodiversen Aspekt auch aus dem Wunsch heraus, weniger Pflegeaufwand zu haben. Dieses Versprechen können sie, unabhängig vom intensiven oder extensiven Pflegekonzept, halten, denn was fällt im Naturgarten nicht bereits alles weg im Vergleich zu konventioneller Gartenpflege?

(Alle zwei Wochen) Rasen mähen, Hecke schneiden, Hausmeistrschnitt an Gehölzen, Beete nach Jahreszeit mit Blühpflanzen bestücken, düngen, kalken, Unkraut in Fugen abbrennen, gegen vermeintliche Schädlinge vorgehen, täglich bewässern, Erde aufharken, alles Verblühte sofort entfernen … um nur ein paar Tätigkeiten zu nennen, die sich Naturgärtner:innen überwiegend sparen. Weil sie wissen: die Pflanzen brauchen das nicht, und die Tiere stört es, also wozu?

Jedes Stück Garten, das diese Prozedere nicht (mehr) über sich ergehen lassen muss, ist ein Gewinn und wird quasi automatisch zu einem besseren Ort für die Tier- und Pflanzenwelt.

Und jetzt: das Aber 😉

Aber – ja, es gibt ein Aber – am Ende einer sich selbst überlassenen Fläche steht in unseren mitteleuropäischen Breiten der Wald. Vielleicht habt ihr es schon mal beobachtet: erst verfilzt das (hohe) Gras, dann kommen Brombeeren und erste Gehölzsämlinge, dann entsteht ein dichtes Gebüsch und dann richtig große Bäume. 15-20 Jahre können reichen. Dann haben wir jede Menge Schatten und richtig blühen tut auch nicht mehr so viel. Und zu groß für innerorts könnten die Bäume auch werden.

Zweites Aber: oft wünschen wir uns durch das Gewährenlassen der Natur, gerade zum Beispiel durch das Umstellen des Rasenmähens, eine Zunahme des Artenreichtums in unserer Wiesenfläche. Doch ganz ohne Eingreifen passiert auch hier das gleiche wie oben beschrieben: Das lange Gras fällt um, wird überwachsen, die Filzschicht nimmt zu und artenreicher wird es nicht, sogar im Gegenteil: nur reicher an Sträuchern.

Warum kriegen wir durch Gewährenlassen nicht, was wir wollen?

Also viele Blüten, viel Artenreichtum, viel Biodiversität?

Weil wir bei unseren Überlegungen einen ganz wichtigen Punkt vergessen: Wir beziehen nicht mit ein, dass es in der Natur immer Störfaktoren gibt. Und wenn die nicht in unsere Gärten kommen, müssen wir mit der Pflege ein bisschen eingreifen und selbst den Störfaktor spielen. Schließlich wollen wir Dynamik erhalten und nicht Stillstand.

Was sind Störfaktoren in der Natur?

Drastische Störfaktoren sind zum Beispiel Feuer, Erdrutsche oder Hochwasser. Aber das war damals wie heute eher die Ausnahme. Die viel häufigeren, alltäglichen Störungen erfolgten Jahrhunderttausende lang, weil in ganz Mitteleuropa und darüber hinaus Herden von großen Huftieren über die Landschaft zogen. Sie taten das, was man heute in Naturschutzgebieten als „Landschaftspflege“ durch Wasserbüffel oder Widlpferde kennt: Trampeln, Fressen, wieder ausscheiden und letztlich zu Aas werden.

Nur so ist es auch zu erklären, dass unter den rund 6000 Gefäßpflanzen Mitteleuropas fast die Hälfte spezialisiert ist auf offene, sonnige und nährstoffarme Standorte – und nur rund 1/10 auf Wald.

Was Ewigkeiten vor dem Menschen auf der Erde die natürliche Gegebenheit war, das dürfen wir beim Nachdenken über Pflege und Artenreichtum nicht außer Acht lassen. Ob wir es gut finden oder nicht: Die Störung, im Wesentlichen durch große Tierherden, ist – so drückt es der Dokumentarfilmer Jan Haft aus – „der Motor des Lebens“. Es gibt so unendlich viele Pionier-Pflanzenarten, WEIL auch vor uns Menschen in der Natur immer irgendwo eine Störung eintrat: Ohne Störung keine Pioniere.

Halboffene, beweidete Landschaft. Hier bleibt ein Teil kurz, ein Teil lang und der Artenreichtum sehr hoch.

Paradox? Im Gegenteil:

Nehmen wir als Beispiel die Blumenwiese. Damit sie als solche über Jahrhunderte besteht und nicht vergrast oder verbuscht, MUSS sie regelmäßig abgefressen (oder heute: abgemäht) werden. Sonst verlieren wir die Arten darin, die zart sind, die klein bleiben, die Licht bis an den Boden brauchen zum Keimen oder für die der Boden eine gewisse Wärme haben muss. Die Pflanzen planen es ein, wenig Zeit zu haben zum Hochkommen, blühen und gefressen werden. Das charakterisiert sie als Spezialisten.

Uns Menschen fällt es schwer, in die prächtige Blüte der Margeriten zu mähen oder sensen, aber tun wir es nicht, kriegt irgendjemand Zartes weiter unten seine Chance nicht, weiterzuleben oder zu keimen. Nicht mähen reduziert die Vielfalt auf der Blumenwiese.

Ein wunderbares Beispiel für diese Abhängigkeit des Artenreichtums vom regelmäßigen Nährstoff-Entzug gibt es immer noch, und zwar auf den Almwiesen der Alpen. Wunderschön blühende Wiesen und diese Vielfalt erhaltende Kühe: Ein Jahrtausende alter Pakt.

Pflegekonzept: Sei die Kuh in deinem Garten!

Und wo kein Pflanzenfresser weidet und trampelt? Da müssen eben wir im Garten quasi den Job der Kuh oder des Auerochsen oder des Mammuts oder welches großen Tieres auch immer machen, die es hierzulande gab und die Jahrhunderttausende lang dafür gesorgt haben, dass wir halboffene Landschaften und hohen Artenreichtum haben bzw. hatten.

Im Naturgarten schaffen und erhalten wir Vielfalt!

Unser Ziel im Naturgarten ist immer die Vielfalt: an Pflanzen, an Strukturen und an uns Menschen bereichernden Erlebnissen. Im Naturgarten planen und gestalten wir daher sehr bewusst, um eine möglichst hohe Auswahl an verschiedensten Standorten als tierische Lebensräume zu erreichen. Denn je mehr Abwechslung wir unseren tierischen Untermietern anbieten, desto eher schaffen wir die Chance auf eine hohe Biodiversität.

Ein Wald plus ein Teich plus eine offene Sandfläche plus eine Blumenwiese plus ein Stauden- oder Gehölzsaum plus eine Wildgehölzhecke bieten ganz einfach mehr unterschiedlichsten Lebensraum und haben eine höhere Biodiversität als nur einer dieser Standorte für sich allein.

Und diese vielfältigen Standorte gilt es im zweiten Schritt eben auch zu erhalten – durch eine fachkundige und strategische Pflege. Unterbleibt diese, überleben die Standorte nicht lange. Das sollten wir wissen und das sollte uns der Aufwand auf jeden Fall wert sein.

Wir haben also, schlicht gesagt, den dirty Job, den Prozess der Wald-Werdung regelmäßig ein bisschen zu resetten. Daher gilt: Ein Minimum an Pflege zum Standort-Erhalt ist schon gar nicht so schlecht 😉.


Du bist neu in der Naturgarten-Thematik und noch nicht ganz sattelfest in Fragen zu Pflege und Standortauswahl? Kein Problem, ich bin für dich da. Nimm gerne Kontakt auf!

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Als Planerin für naturnahes Grün teile ich hier Tipps, Geschichten und Wissen rund um Naturgärten und naturnahe Freiräume.

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