Wie kommt ein Stadtkind zum Naturgarten?
Ich erzähle dir meine Gartengeschichte, damit du weißt, mit wem du es hier zu tun hast und wie mein Weg zur Naturgarten-Expertin verlaufen ist. Und um zu zeigen, dass niemand perfekt startet! Ich habe erst relativ spät selbst mit dem Gärtnern begonnen, dafür dann aber richtig. Aber der Reihe nach.
Inhalt
Die Reise beginnt: Die ersten Begegnungen mit der Natur
Leben am Niederrhein: Bauernhofabenteuer und Kamillewiesen
Keine gute Geschichte beginnt ohne ein „Es war einmal“! Also: Es war einmal eine ganz normale Erstgeborene eines ganz normalen Paares im Ruhrgebiet der 1980er Jahre. Meine Eltern zogen „jetzt, wo das Kind da ist“ raus aus der Stadt in ein Dorf am Niederrhein. Das bescherte mir die Möglichkeit, im gerade sprech- und lauffähigen Alter hartnäckig nach Besuchen auf dem nahe gelegenen Bauernhof zu verlangen und dort Hühner und Katzen kennenzulernen und Wiesen voller Kamille zu entdecken. Ich war ein Kind, das Regenwürmern Betten baute, stundenlang malte und schrieb, und nicht ertragen konnte, dass gepflanzte Blumen, nur weil sie verblüht waren, weggeworfen wurden.
Zurück ins Ruhrgebiet: Stadtkind mit Natursehnsucht
Als meine Schwester sich ankündigte, zogen wir zurück ins Ruhrgebiet, und es folgte eine klassische Kindheit in der Vorstadt. Mein Schulhof war asphaltiert mit drei erhöhten Baumeinfassungen, von denen man immerhin runterspringen konnte. Es gab kein Gebüsch und keinen Schulgarten. Die Grünflächen und Spielplätze der Umgebung waren durchkomponiert mit ein paar Gerüsten. Zu Hause hatten wir zwar einen Garten – keine Selbstverständlichkeit in der Großstadt – aber der Vorgarten war geprägt von viel Waschbeton und einem Essigbaum, der hintere Garten hatte Beeteinfassungen aus alten Eisenbahnschwellen, Wechselflor-Blumen in Schwarzbrache und einen Rasen, den ich für Taschengeld mähen und vom Unkraut befreien musste.
Jugendjahre: Abenteuer abseits der Betonwüsten
Schrottplätze und Besenginster-Buden
Die „Freiheit“ und das Abenteuer fanden jedenfalls nicht im elterlichen Garten statt, sondern auf dem alten LKW-Schrottplatz die Straße runter (inklusive super Kletterbaum!), auf einer heideähnlichen Brachfläche voller Besenginster-Gebüsch in der Nähe, in dem es unendlich viele Buden zu bauen und zu entdecken gab.
Südtirol: Urlaub im Naturparadies
Im verwilderten Garten von Bekannten, die noch am Niederrhein lebten, und auf den Wiesen und Weiden drumherum fand ich ebenfalls meine Abenteuer. Besonders in den Südtirol-Urlauben, wo es Bäche gab, die man stauen konnte, und Holzhütten und alte Sägewerke, die magisch nach Holz rochen. Auf Blumenwiesen blühte es, Kühe, Kälbchen, Esel und Pferde grasten, und manchmal tauchten auch Gämsen und Murmeltiere auf. Ich heulte Rotz und Wasser, wenn wir nach ein paar Wochen im gefühlten Paradies wieder nach Hause mussten.
Die versteckten Oasen der Stadt
Natürlich gab es auch in der Stadt Rückzugsorte mit Natur. Einer davon war der Volkspark Sterkrade, um dessen Teich wir im Sportunterricht immer rennen mussten (und den wir als Jugendliche lieber nachts besuchten). Ein anderer Ort im Grünen war der sogenannte Kaisergarten, ein Park mit Hängebauchschweinen im kleinen eigenen Tiergehege, die sogar in einem Lied besungen werden.
Studienzeit in Bochum: Erste Versuche im Urban Gardening
WG-Leben und der Balkontraum
In der Bochumer WG, in der ich während des Studiums in den 2000er-Jahren wohnte, gab es den ersten „Freisitz“, den ich hätte begrünen können – hätte. Wir haben einmal eine Cocktailtomate erfolgreich so hoch gezüchtet, dass sie an die Decke dieser Loggia-Balkon-Kombi stieß. Ansonsten beschränkte sich das Draußen-Grün in der WG auf die alljährlichen Weihnachtsbäume, die wir inklusive Schleifchen vom Weihnachtsmarkt „adoptierten“, wenn sie dort am letzten Tag ausgedient hatten. Bei uns bildeten sie – weniger schön als praktisch, aber liebevoll arrangiert – in einem zum Baumständer umfunktionierten Bierkasten die Winter-Deko, bis sie spätestens zu Ostern alle Nadeln verloren hatten und entsorgt wurden. Wir waren wirklich sehr leidenschaftliche Gärtner!
Die magische Trauerweide
Doch an welches Grün ich mich bei der Bochumer Wohnung sehr gerne erinnere: Im Garten wuchs eine riesige Trauerweide, in deren Baumkrone wir aus dem dritten Stock guckten. Sie über die Jahreszeiten zu beobachten war ungemein faszinierend; von den herrlichen hellen Grüntönen im Frühjahr bis zu den (zu selten) wunderschön schneebedeckten Zweigen im Winter; als beruhigender Schatten im Mondlicht in durchgequatschten Balkonnächten und mit rosa Reflexen und Lichtspielen im Sonnenuntergang. Außerdem sorgte sie dafür, dass wir das gut befahrene Güterzuggleis dahinter nur hörten, aber nicht sehen konnten. Ich habe neulich, nach fast 20 Jahren, mal bei Google Maps geguckt und mich sehr gefreut zu sehen, dass die gute alte Trauerweide immer noch da ist.
Der erste eigene Garten: Respekt vor dem Genius Loci
Einzug ins Pfarrhaus: Ein Garten voller Geschichte
Zu meinem ersten Garten kam ich zufällig im Jahr 2012: als Mieterin in einem niedersächsischen Pfarrhaus. Es gibt Orte, an die kommst du und denkst, was für ein perfekter Ort, und dies war für mich einer. Vor dem Haus stand im Süden eine riesige Hoflinde. Unserer Mietwohnung in dem alten Fachwerkhaus am Dorfrand war der größte Teil des Pfarrgartens zugeordnet. Dieser bestand hauptsächlich aus einer Wiese, darauf standen fünf alte Obstbäume, drei uralte Holunderbüsche und eine beträchtliche Hecke mit weißem Flieder. Unter den Dachziegeln wohnten ganze Spatzenkolonien und auf den Deckenbalken der Stallgebäude nisteten Rotschwänzchen. Das war ein eingewachsener Garten an einem glücklichen Fleckchen Erde, der mich zwar mit offenen Armen willkommen hieß, aber auch daran erinnerte, dass er mich nun wirklich nicht brauchte: dass er lange vor mir da war und noch lange nach mir prima zurechtkommen würde. Es war ein Garten, der mich Respekt lehrte.
Lernen und Wachsen im Pfarrgarten
Ich fing an, zu lernen, was zu tun ist. In den Rabatten ums Haus fand ich im ersten Sommer, als ich noch mit Entdecken beschäftigt war, eine weiße, ungefüllte Rose, die wie zum Dank fürs Freilegen in den Folgejahren unglaublich blühte. Der Boden war schwer und lehmig und machte Pflanzarbeiten zu etwas, was ich mir lieber dreimal überlegte. Ich sah fehlende Zonierungen, ergänzte Sträucher und Hecken, probierte ein kleines Kräuter- und Nutzbeet aus, legte mich mit zu massiven Brennnesselbeständen und Kratzdisteln an und versenkte jede Menge aus Mitleid bei Aldi adoptierte Krepelpflanzen in der Hoffnung, dass es ein bisschen mehr blühen würde.
Die erste Ernte und die kleinen Erfolge
Der Pfarrgarten war, rückwirkend betrachtet, mein persönlicher Landlust-Garten. Obwohl die Ausstattung des Gartens ausbaufähig schien, hatte ich vorher nie über perfekt platzierte Apfelbäume (in diesem Fall übrigens eine extrem leckere Goldparmäne) nachgedacht und darüber, dass manche Gärten wirklich prädestiniert dafür sind, einfach ab und zu zu mähen, Obst zu pflücken und die Bäume zu schneiden und ansonsten einen Tisch unter den Baum zu stellen und das Draußensein zu genießen. Und wenn das der Zielzustand ist, dann gibt es einen Weg dorthin.
Ich bin sehr froh, dass mein erster Garten einer war, der Respekt vor eingewachsener Schönheit lehrt. Hätte ich auch nur darüber nachgedacht, in diese Szenerie eine Plastik-Loungegarnitur, einen Stabmattenzaun oder Beton-Pflanzringe zu knallen, hätte er mich vermutlich ausgelacht. Allein sich das auszumalen verursacht körperliche Schmerzen.
Zwischenstationen: Herausforderungen und Überraschungen
Die Hildesheimer Brache: Aus Grau mach Bunt
Aber das sollte nicht mein Garten bleiben. Eine Trennung, ein Jobwechsel und ein Umzug brachten mir stattdessen für ein Jahr Garten Nr. 2, das genaue Gegenteil: ein trauriges totgefrästes Stück Ex-Rasen-Brache in einer der Hildesheimer Börde abgerungenen Siedlung mit Mehrfamilienhäusern und Garagenhöfen, wie ich sie aus dem Ruhrgebiet kannte.
Drumherum hätte Landleben sein sollen, aber diese Gegend ist dem Ruhrgebiet erstaunlich ähnlich: Auch die Börde-Landschaft ist hochindustrialisiert, es gibt riesige Felder mit konventioneller Landwirtschaft, aber keine Alleen, keine Säume, keine Wiesen. Der eigene Garten war in dem Jahr eine umso größere Hoffnung. Ich kämpfte mich durch die traurigen Reste, spendierte der Fläche jede Menge Saatgut und installierte eine Bewässerung durch das Waschküchenfenster. Jede Menge Blüten und übermannshohe „Wildnis“ waren die Höhepunkte dieses knappen Jahres. Aber es stellte sich heraus, dass in dieser Zeit ein Stück Land zu einem Tierparadies werden kann.
Distelfinken und Insektenbuffets
Diesen Garten habe ich innerhalb eines Jahres „vollgeknallt“ mit allem, was mir damals so einfiel und was die Restekiste so hergab. Keine Staudenbeete und Zonierungen im eigentlichen Sinne, weil es mir an Hingabe fehlte, aber in den ehemaligen Rasen habe ich jede Menge „Potenzial“ versenkt: den mitgebrachten Sanddorn, ein paar Küchenkräuter – und was die Abteilungen „Insektenbuffet“ und „Schmetterlingswiese“ so hergaben, z.B. Sonnenblumen, Kornblumen, jede Menge einjährige Exoten leider auch. Und was dann passierte, hatte ich nicht erwartet: ein Distelfinkenschwarm fand den Weg in meinen Minigarten, und es gab plötzlich auch viele andere fröhliche Vögel, die hier anscheinend ihr Insektenbuffet genossen. Nebenan in den akkuraten Schwarzbrachegärten lebte offenbar nichts – und das soll niemand falsch verstehen, mit den Nachbarn blieb es friedlich, aber die Wahl der tierischen Gäste fiel eindeutig zu meinen Gunsten aus.
Unser jetziger Garten: Vom formellen Stadtpark zum Naturparadies
Der Beginn eines neuen Kapitels
Hildesheim blieb ein kurzer Zwischenstopp, und 2017 zogen wir in unser jetziges Haus mit einem ca. 2000 m² großen Garten ein. Eigentlich eine gut aufgeräumte Stadtpark-Gartenfläche: viele Thuja- und Kirschlorbeersträucher, jede Menge Rasen, der offenbar akribisch gegen Moos und anderes Leben verteidigt wurde, und ein paar alte Eichen. Alles in allem aufgeräumt und pflegeleicht, aber nicht besonders abwechslungsreich und wenig geeignet für Menschen, die Leben und Dynamik mögen und auch mal etwas Überraschendes entdecken wollen.
Auf der Suche nach Gleichgesinnten: Naturgarten e.V. und Hortus-Netzwerk
Ich suchte nach Leuten, die auch fanden, dass Gartenleben mit der Natur sein muss und nicht dagegen sein kann. Ich fand den Naturgarten e.V. und wurde umgehend Mitglied (und entdeckte nebenbei die Fortbildung zum Planer für naturnahes Grün – fand aber, ich habe eigentlich schon genug studiert). Ein Jahr später stieß ich auf das Hortus-Netzwerk. Im Herbst 2019 baute ich das erste Magerbeet, machte einen Permakultur-Gartenbaukurs, fuhr zum ersten Mal Minibagger und begann, im großen Stil Baumaterialien zu “horteln”.
Fortbildung zur Naturgartenplanerin: Ein Traum wird wahr
Im Januar 2020 meldete ich mich, obwohl ich ja schon genug studiert habe, für die Naturgartenplaner-Fortbildung an und erwischte mit Glück einen Platz für den Kursstart Herbst 2021. In der Zwischenzeit baute ich Trockenmauern aus geschenkten Materialien, legte Sumpfbeete und Totholzhecken an, experimentierte mit Saatgut und Stauden, legte noch mehr Beete an, lernte Sensen und bekam meine Motorsäge – und dann begann die Fortbildung, die sich anfühlte wie endlich nach Hause kommen.
Nach dem ersten Kurswochenende war klar:
- Ich habe in meinem Aktionismus viel Gutes, aber auch ganz schön viel Quatsch gemacht 😉
- Ich mache das gar nicht nur für mich. Naturerlebnisse zu schaffen, ist das, was ich tun will, und zwar als mein Beitrag, die Welt da, wo ich es kann und darf, zu einem besseren Ort zu machen.
Die Entwicklung unseres Gartens: Wenn die Natur einzieht ...
Von da an wurde unser Garten immer mehr zu einem echten Natur-Hotspot. Ich setzte das Gelernte um, baute weiter an Trockenmauern, erweiterte das Sumpfbeet und begann, einen Naturteich anzulegen. Der Garten verwandelte sich in einen lebendigen Raum voller Pflanzen, Insekten und Tiere. Er wurde zu meinem Laboratorium, in dem ich bis heute alles Mögliche ausprobiere und mich freue, was auf saurem Sandboden wächst und gedeiht.
Mission Naturgarten: Anderen helfen, naturnahe Gärten zu gestalten
Heute bin ich nicht nur stolze Besitzerin eines jedes Jahr mehr summenden und blühenden Gartens, sondern auch ausgebildete Naturgartenplanerin. Ich habe erkannt, dass ich diese Leidenschaft nicht nur für mich behalten kann – vor allem nicht in dieser Zeit mit diesen Herausforderungen. Mein Ziel ist es, vielen Menschen da draußen zu helfen, ihre eigenen Gärten naturnah zu gestalten und dadurch zu erleben, wie glücklich Naturerlebnisse machen. Jeder von uns kann einen kleinen Beitrag leisten, um die Welt ein Stück besser zu machen. Ich freue mich, euch dabei zu helfen!
Ausblick: Die Zukunft des Gartens und meine Mission
Natürlich habe ich auch Fehler gemacht. Jede Menge sogar! Ich habe Pflanzen gesetzt, die sich als ungeeignet für das Klima und den Boden hier im Norden erwiesen. Ich habe an falschen Stellen gemäht oder wachsen lassen. Vor allem habe ich anfangs den Fehler gemacht, zu viel auf einmal ändern zu wollen. Aber zum Glück sind Fehler im Garten in der Regel kein Weltuntergang. Außerdem: aus jedem Fehler habe ich gelernt, und ich freue mich auf die kommenden Jahre, in denen nicht nur unser Garten, sondern auch die von mir geplanten Grünräume weiter wachsen und sich entwickeln werden – und ich dir, ganz nebenbei, dabei helfe, meine Fehler nicht zu wiederholen!
Der Rest ist Geschichte – bzw. das vorläufige Ende der Geschichte kannst du den weiteren Texten und Bildern meiner Seite hier entnehmen 😊.
Ich freue mich sehr darauf, auch dich auf deiner Reise zu begleiten! Nimm gerne einfach mal Kontakt zu mir auf 🙂